Ernst Penzoldts Werk wird digital

der gläserne Storch250Im Spiegelarchiv findet man – digital – eine sehr gute Kritik, die im Februar 1950, anlässlich der Aufführung des “Gläsernen Storchs”, der Zauberkomödie von Ernst Penzoldt im Hamburger Schauspielhaus, veröffentlicht wurde. Der Stoff, aktuell wie nie zuvor: ein Mensch aus der Retorte (Gläserner Storch).

Die hohe Geschwindigkeit, mit der unsere Welt digitalisiert wird, hat auch vor Ernst Penzoldts Werk nicht Halt gemacht. Sein bekanntester Roman “Die Powenzbande” ist jetzt als eBook beim Süddeutschen Verlag, in der eBibliothek, zusammen mit 5 weiteren Familienromanen (anderer Autoren) erschienen. Das ist ein wichtiger Schritt, denn mit dem eBook ist der dringend notwendige Sprung in die nächste Lesergeneration gelungen, zumal die Taschenbuchausgabe der Powenzbande zur Zeit vergriffen ist.

Vor dem Hintergrund dieser einschneidenden Veränderungen sind wir alle froh darüber, dass Ulla Penzoldt und Volker Michels das schriftstellerische Werk rechtzeitig in eine einheitliche Form gebracht haben: die Gesamtausgabe “Ernst Penzoldt – Gesammelte Schriften in sieben Bänden”. Sie erschien 1992 anlässlich des 100. Penzoldt-Geburtstages. Die Bände sind über den Buchhandel lieferbar, sowohl einzeln, als auch die komplette Ausgabe.

Wir haben im letzten Gespräch mit dem Suhrkamp Verlag erfahren, dass diese Gesamtausgabe noch in diesem Jahr 2015 digitalisiert wird. Dann wäre das Ziel erreicht und das schriftstellerische Werk stünde zu 90% in digitaler Form zur Verfügung. Der bildnerische Nachlass Penzoldts als Bildhauer, Maler, Scherenschneider und Illustrator, der grösstenteils unter dem Pseudonym “Fritz Fliege” entstand, ist sehr gut dokumentiert. Die meisten der Bilder, Grafiken und Plastiken wurden 1992 im Rahmen der Ausstellung “Ernst Penzoldt – Kunst und Poesie” im Palais Stutterheim/Erlangen ausgestellt. Der umfangreiche Katalog ist leider vergriffen. Die meisten Exponate sind im Besitz des Stadtmuseeums Erlangen. Wir sind gerade dabei die Abbildungen, die uns vorliegen, zu sammeln und hier auf ernst-penzoldt.de auszugsweise zugänglich zu machen.

Die Powenzbande als eBook

„Die Powenzbande“ von 1930 ist das populärste und meistübersetzte Buch von Ernst Penzoldt und wurde 1973 als fünfteilige Fernsehserie für die ARD verfilmt.

Till Eulenspiegel hat Junge gekriegt und deren Chronik heisst „Die Powenzbande.“ Die Powenze sind Spiessbürger wie die anderen Mössler Einwohner; aber die Powenze haben Phantasie und keinen Sinn für geordnete Arbeit. […] Ihre Phantasie trifft besser als die gröbste Faust. Sie haben Humor und sind dadurch unverwundbar. (Erich Kästner)

 

E_bookreader_5_FamilienromaneDie SZ eBibliothek umfasst insgesamt 50 Romane.
Die Powenzbande ist Teil der Sammlung „5 Familienromane“.
Das Paket enthält folgende Romane:

    Uwe Tellkamp Der Turm

    Katja Petrowskaja Vielleicht Esther

    Ernst Penzoldt Die Powenzbande

    Joanna Bator Sandberg

    Peter Handke  Immer noch Sturm

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Hintergrund

„Die Powenzbande“ ist einer der wenigen Schelmenromane in deutscher Sprache. Er zeichnet die Eigenheiten und Merkwürdigkeiten der Powenze, aber auch die ihrer Gegner menschlich, liebevoll und mit großem Witz. Die fröhlichen Lebenskünstler der Powenzbande sind der lebende Widerspruch zu allen bürgerlichen Normen. Der anarchistische Humor dieser Posse auf das deutsche Kleinbürgertum war Penzoldts Antwort auf die Turbulenzen, die ihm sein Plädoyer für die deutsch-französische Versöhnung in der Novelle „Etienne und Luise“ eingebracht hatte: ein langer und durch mehrere Instanzen geführter Prozess sowie scharfe Angriffe aus der deutschnationalen Presse begleiteten die Entstehung der „Powenzbande“.

als eBook in der SZ eBibliothek

Inhalt

Die Handlung spielt in dem beschaulichen Städtchen Mössel an der Maar, das vor allem von besser gestellten Rentnern und Pfarrerswitwen mit ihren Töchtern bewohnt wird. In dieser Kleinstadt würde wohl nie etwas passieren, wäre nicht einige Jahre vor der eigentlichen Handlung ein Bahnreisender – Baltus Powenz – in „Adams kleiner, brauner Weinstube“ „kleben“ geblieben, um sich dann unverzüglich als reich tätowierter Bademeister, Fahr- und Gesangslehrer, Erfinder (nicht zuletzt seiner eigenen Vergangenheiten), Konstrukteur eines Automobils, Poet, Musiker und Fabrikant von Scherzartikeln und Feuerwerkskörpern dort niederzulassen und eine Familie zu gründen, immer mit dem Ziel, ihr eines Tages ein eigenes Haus zu erbauen.

Mit seiner „selten liebevollen“ Frau Sabina hat er sieben Söhne und eine Tochter, eine so kopf- wie lautstarke Schar, die von den rechtschaffenen Mösselern kopfschüttelnd die „Powenzbande“ genannt wird und ihnen jeder Schandtat verdächtig ist. Sie stellen der Stadt ein fröhliches Prekariat emsiger Lebenskünstler, sind die „Edlen Wilden“ von nebenan, ein lebendiger Widerspruch zu allen bürgerlichen Normen, arm an allem außer Geist, wenig zimperlich bei der Wahl ihrer Methoden wie bei ihrer Nahrung. Heilig ist ihnen das Leben, die Existenz aber nur Notwendigkeit.

Ihre bacchischen Freuden, freie Liebe und häusliche Gewalt erregen die Rechtschaffenen wie die Selbstgerechten, und so beginnt bald ein Kleinkrieg zwischen ihnen und den Powenzen, dessen formelle Kriegserklärung die Ablehnung eines Bauantrages ist, den Baltus Powenz, gestützt auf einen „kleinen Vorgriff auf die Reserven der Zukunft“ und einen Fundus von 999 über Jahre hinweg gesammelten Backsteinen, bei der Stadtverwaltung einreicht. Dieser Krieg wird in offenen „Knabenschlachten“ auf der Heide vor der Stadt ebenso ausgetragen wie in Guerilla-Operationen, bei denen aus den Beeten des Nachbarn die Gemüsepflänzlinge säuberlich entfernt und durch Unkraut ersetzt werden, zum Lüften aufgehängte Teppiche mit Flöhen und Wanzen infiziert werden, die sich in den Häusern der „Feinen“ ausbreiten, und manchmal mit krimineller Energie. Die Gegenseite schlägt mit Hausdurchsuchungen zurück und ist den flexiblen Powenzen gegenüber relativ erfolglos.

Dieser Krieg wird 1914 durch eine andere Auseinandersetzung unterbrochen. Die Familie Powenz stellt in ihrer Produktion erfolgreich von Scherzartikeln auf vaterländischen Nippes, Kaiserbilder und Kriegsfolklore um. Allerdings müssen bald Frau Sabina, Tochter Lilith und die jüngsten Söhne Jadup und Jubal den Betrieb übernehmen, weil die erwachsenen Männer der Familie zur Armee einrücken müssen. Schnell sammeln sie sich am gleichen Frontabschnitt, wo sie der Erzähler des Romans wieder trifft, der in Mössel zu den „Feinen“ gehört. Pragmatisch ziehen die Powenze aus dem Krieg jeden Vorteil. Sie genießen das Abenteuerliche an ihm und nutzen jede Gelegenheit, Wertvolles zu sammeln.

Bei einer solchen Gelegenheit wird der künstlerische Sohn Violand verwundet und von seinen Verwandten und ihren Freunden, allesamt tapfer aus Trunkenheit, gerettet. Sie nutzen das, um zugleich einen Schatz teuren Rotweins aus den Ruinen des Weinguts „La Ferme Trouchy“ zu bergen. Kurz vor Kriegsende lässt Baltus Powenz dann seine heimische Produktion auf schwarz-rot-goldene und rote Fahnen umstellen, um sich auch kommende politische Auseinandersetzungen nutzbar zu machen.

So tragen alle Powenze zu jenem bescheidenen Vermögen bei, mit dem sie ihr Haus errichten wollen. Tochter Lilith schlägt Kapital aus ihrem sorgsam kultivierten schlechten Ruf, Vater Baltus nutzt seinen Einfallsreichtum, um in den unruhigen Zeiten nach dem Krieg mit Devisen-Spekulationen Geld zu verdienen, der immer müde Sohn Fabian gründet die Kirche des Heiligen Schlafes. Nur Jadup trägt nichts dazu bei, wird er doch bald von der Liebe in Gestalt eines Ballonfahrers nach Berlin entrückt. Seine erdverbundene Familie kritisiert daran vor allem die völlige Uneinträglichkeit.

Es kommt gar dazu, dass die Powenzbande erstmals schuldenfrei dasteht, als der Tod ihres amerikanischen Onkels Melchior und die Vorstellung eines Erbes in Dollar-Millionen sie in der Gunst der Mösseler hoch steigen lässt. Man schenkt ihnen gar das Grundstück, das man ihnen samt der Baugenehmigung einst verweigert hatte. Vater Powenz tauscht es umgehend gegen eines in der Nachbargemeinde ein, wo er endlich das erträumte Haus baut. Das Erbe indes besteht dann zwar wirklich aus Millionen, jedoch im Minusbereich.

Am Ende (das der Erzähler an den Anfang stellt) wird Baltus Powenz, der heiter und angetrunken wie stets spazieren geht, von einem Meteoriten erschlagen, drei Tage nach dem Richtfest seines Hauses, immer noch in der gleichen Jacke, die er bei seiner Ankunft in Mössel getragen hatte. Seine ehrerbietigen Söhne umgeben den Meteoriten sofort mit einem Zaun und nehmen Eintritt für seine Besichtigung.


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Einweihung des neuen Denkmals für Ernst Penzoldt

Ernst Penzoldt Denkmal, Erlangen
Adriane Brendel (Enkelin EP), Johannes Wilkes (Verein „Geschichte für alle“), Ulla Penzoldt (Tochter EP), Thomas, Hannah (Ur-Ur-Enkelin) und Sarah (Ur-Enkelin von EP) Wiesneth.

Erlangen, Sonntag, 26. Oktober 2008

Nun hat er doch noch ein Denkmal bekommen, der Ernst Penzoldt.
Eine schöne Edelstahlfigur nach einem seiner Scherenschnitte ist es geworden .
Sein Geburtshaus in der Güterhallenstraße 12 steht nicht mehr, es musste der
Bahnunterführung weichen. Aber vom Standort des Denkmals kann man hinüberschauen,
es ist gleich nebenan.
Dass es die Güterhallenstraße 12 war, wusste die Tochter von Ernst Penzoldt bei der
Eröffnungsfeier zu erzählen. „Seinem Vater, dem Erlanger Medizinprofessor Franz Penzoldt,
war das Haus irgendwann nicht mehr gut genug gewesen und er ist dann ins Erlanger
Professorenviertel gezogen“, erzählte sie weiter. Aber ihr Vater Ernst hat das Haus
sehr geliebt und einen Stein seines Geburtshauses zeitlebens aufbewahrt.
Den Stein hatte sie zur Feier eigens mitgebracht.

Vielen Dank, KDE,  für die Fotos und die Dokumentation.

 

 

 

 

Ernst-Penzoldt-Denkmal-Erlangen

 

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Im Vorfeld gab es erst einmal Hürden zu nehmen in Mössel… äh Erlangen.
Veröffentlichung auf nordbayern.de:

Der Stein des Anstoßes

Ein Denkmal soll den Dichter Ernst Penzoldt ehren – 09.04.2008

Eine Stahl-Skulptur soll schon bald an der Güterhallenstraße an den 1955 verstorbenen Schriftsteller, Maler und Bildhauer Ernst Penzoldt erinnern.

 «Vor einigen Tagen bekam ich einen Zeitungsausschnitt zugesandt, in dem berichtet war, dass das Haus . . . der Spitzhacke verfallen sei und abgebrochen werde. Der Ausschnitt enthielt nichts anderes als die Todesanzeige des Hauses meiner Kindheit.»
Ernst Penzoldt

Güterhallenstrasse Erlangen (c)  Bernd Böhner
Güterhallenstrasse Erlangen (c) Bernd Böhner Vor etlichen Jahrzehnten stand hier das Geburtshaus des Dichters Ernst Penzoldt («Die Powenzbande»): Hier – oder auf der gegenüberliegenden Seite der Güterhallenstraße – soll schon bald ein Denkmal errichtet werden.

Ernst Penzoldt, der 1892 in der Hugenottenstadt geboren wurde und in den 20er Jahren in München zu einem viel gelesenen Autor aufstieg, beließ es aber nicht bei der Trauer um sein Geburtshaus an der heutigen Bahnunterführung Güterhallenstraße. Er stieg in den Zug, fuhr nach Erlangen und nahm sich dort einen Stein als Andenken an sein Geburtshaus mit nach München. Dieses Souvenir ist nun quasi der «Stein des Anstoßes» für ein Penzoldt-Denkmal, über deren Aufstellung heute ab 16 Uhr im Rathaus der Kultur- und Freizeitausschuss auf Antrag der CSU diskutieren wird. Denn dieser handliche Stein soll Blickfang eines neuen Denkmals sein. Angeregt durch den auch als Autor tätigen Kinder- und Jugendpsychologen Johannes Wilkes hat der Verein «Geschichte für Alle» – angeregt durch ein Penzoldt-Scherenschnitt-Selbstporträt – das Konzept für eine Stahlskulptur ausgearbeitet. Auch die Finanzierung dieser rund zwei Meter hohen Arbeit ist bereits gesichert. Nun geht es lediglich noch darum, die Genehmigung der Stadt für die Aufstellung zu erhalten.

Der Stein, den Penzoldt in Sütterlin mit der Aufschrift «Stein vom alten Haus Güterhallenstraße 12» versehen hat, wurde Johannes Wilkes bereits im November von Ulla Penzoldt, der Tochter des 1955 verstorbenen Dichters, übergeben.

Johannes Wilkes: «Ich war schon immer darüber verwundert, dass Erlangens prominentester Literat bislang nicht mit einem Denkmal geehrt wird. Das wollen wir nun ändern.» Wenn die Genehmigung erteilt worden ist, wird das Erlanger Hightech-Unternehmen «Erlas» bis zum Herbst die Stahlskulptur anfertigen. «Diese Firma hat ein Verfahren, dass die Umrisse von Penzoldt per Laser wie durch Butter in den Stahl schneiden wird», schwärmt Wilkes. smö